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   Wilhelm Raabe  
 


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Wilhelm Raabe schrieb 1861 seine weltberühmte - auf den Chroniken der Stadt Magdeburg beruhende - Erzählung,  "Unseres Herrgotts Kanzlei". Hierin begegnen wir vielen realen Persönlichkeiten aus dem städtischen Leben der Jahre 1550 und 1551, wie zum Beispiel dem Buchdrucker Lotter, dem Pfarrer der Ulrichskirche Nikolaus Gallus und dem Scharfschützen vom Jakobsturm Andreas Kritzmann. Die Erzählung ist spannend geschrieben und beruht auf historischen Fakten. 

Im folgenden fasse ich den Inhalt der Erzählung kurz in eigenen Worten zusammen: Held der Erzählung ist Markus Horn, der "verlorene Sohn", der nach Jahren als Landsknecht über Braunschweig den Weg zurück in seine Heimatstadt Magdeburg findet, die bereits den Beinamen "Unseres Herrgotts Kanzlei" trägt. Hier wird der Totgeglaubte vom Vater zurückgewiesen, woran die Mutter fast zerbricht. Die Tochter des Nachbarn, Regina Lotter, verliebt sich in den Zurückgekehrten  In der Folge erwirbt er sich große Verdienste auf dem Schlachtfeld bei Hillersleben an der Ohre und bei der Verteidigung der Stadt. Die kaiserliche Belagerung der Stadt Magdeburg 1550/51 wird realistisch und eindrucksvoll beschrieben. Markus Horn findet in Adam Schwartze, einem Edelmann, seinen ärgsten Widersacher. Beide Männer kämpfen während der Belagerung um die Gunst Reginas. Innenpolitische Zwistigkeiten führen fast zum Verrat der Stadt, Adam Schwartze ist beteiligt. Ein Bürgerkrieg bricht innerhalb der Mauern aus, indem sich die Stadttreuen, vorneweg die Mitglieder der Ulrichsgemeinde, nur mit Mühe und Not durchsetzen können. Markus Horn wird hierbei schwer verwundet. Die berühmte mittelalterliche Stadt Magdeburg "kapituliert" oder besser, sie schließt einen Vertrag mit dem Kurfürsten ab, der viele der kaiserlichen Forderungen umgeht. Der Vater vergibt seinem Sohn, Regina und Markus heiraten und bekommen Kinder.

"...Der Geist, welcher diese Mauern erfüllt seit dem sechsten Sonntag nach Trinitatis im gesegneten Jahr Eintausendfünfhundertzwanzig, an welchem Tag der Mann Gottes, Martin Luther, berufen vom damaligen Bürgermeister Nikolaus Sturm, allhier in der Johanniskirche das lautere unverfälschte Evangelium predigte. Seit diesem Tage ist diese alte Stadt Magdeburg in Wahrheit des lieben Gottes Kanzlei auf Erden und seines Wortes starkes Bollwerk, seit diesem Tage ist sie ein Vorort der Freiheit, seit diesem Tage ist sie ein Schutz allen um Gottes heiligen Namen Verfolgten, allen widerrechtlich verbannten und Ausgestoßenen...Nikolaus Hahn, welcher seinen Namen, der Sitte der Zeit folgend, latinisierte und sich Gallus nannte, war Diakonus zu Regensburg gewesen, hatte sich aber geweigert, das Interim anzunehmen und ward deshalb vertrieben. Im Jahre 1550 war er Prediger an der Ulrichskirche zu Magdeburg geworden und führte nun auch von dieser Stelle aus eine gute, scharfe Feder gegen die beiden Interim und Adiaphora, das heißt die abgeschafften katholischen Gebräuche und Zeremonien, welche die Kirchenordnung Kurfürst Moritz wiederherstellen wollte, ohne jedoch in der Lehre und dem Glauben der Protestanten zu ändern..."

"...Überall im Reiche wurden die Druckereien, welche wider das Interim gewirkt hatten, gesperrt; überall wurde das freie Wort und der freie Gedanke mit aller Macht in Banden gelegt, und das neue Religionsgesetz mit Gewalt eingeführt. So stand denn wie ein leuchtendes Beispiel für ewige Zeiten die Stadt Magdeburg 'Unseres Herrn Gottes Kanzlei' da, hoch haltend das Panier deutscher Gedankenfreiheit. Hier allein lagen die Pressen nicht in Ketten, hier allein fürchteten die wackeren Drucker Paul Donat, Christian Rödinger, Michael Lotther und wie sie sonst hiessen Kaiser und Reich, Acht und Aberacht nicht. Hierher unter den grünen schirmenden Kranz der magdeburgischen Jungfrau flüchteten die Erules, die Verbannten, Prediger und Kriegsleute. Hier schrieben Amsdorf, Flacius, Gallus, Pomarius kühner und immer kühner, je gewaltiger die Gefahr ward, je drohender das Verderben gegen die Mauern und Wälle der Stadt des großen Kaisers Otto heranzog. Ja, Unseres Hergotts Kanzlei hieß mit Recht bei den Evangelischen diese Stadt Magdeburg, so stolz, so tapfer, so todesmutig allein im weiten Reiche nach dem achtundfünfzigstem Psalm ausrufend: 'Seid ihr stumm, daß ihr nicht reden wollt, was recht ist?'..."

"...Aus der Ulrichstrasse hervor klang mit einem Male Trommelschlag, und in geordneten Massen, vollständig gerüstet, mit schwebendem Banner, rückte die Bürgerschaft der Ulrichsgemeinde vor. Mit Bibel und Schwert schritt an der Spitze dieser rüstigen Scharen Herr Nikolaus Gallus als geistlicher Führer und Berater, neben ihm stieg als weltlicher Befehlshaber Meister Michael Lotther, der Buchdrucker; jeder Bürgerrottmeister war an seinem Platz, und Zug auf Zug fällte, im Harnisch rasselnd, die langen Spieße beim Austritt auf den Breiten Weg. Niedergeworfen wurden die ersten Haufen des Pöbels und der Meuterer, Raum gaben die übrigen. Rotte auf Rotte in ruhiger, stattlicher Ordnung zog auf, dem leisesten Wink ihrer Führer gehorchend und bald standen über achthundert treffliche Männer in Schlachtordnung auf der Hauptstrasse der Stadt. Unsäglichen Ruhm und Preis hatten sich Meister Michael Lotther und Nikolaus Hahn um die Stadt Magdeburg erworben. Sie hatten die Bürger Ihrer Kirchspiels, welches der Aufruhr nicht so ganz wie die andern Gemeinden überschwemmt hatte, aus ihrer Betäubung gerissen, sie hatten die ersten zwanzig, die ersten fünfzig, die ersten hundert mutfassenden Herzen zusammengebracht; von ihnen ging der erste Strahl wiederkehrender Besinnung aus..."


Stand: 08. April 2009. Webmaster: Dr. Tobias Köppe, Vorsitzender Kuratorium Ulrichskirche e.V., Tel.: 0151/50151370, Email: tobiaskoeppe@hotmail.com